Blumen für die Kunst | Flowers to Arts


Duftende Kunstwerke, das ist in Europa einmalig. Zahlreiche Besucher reisen wegen der speziellen Ausstellung ins Aargauer Kunsthaus. 

Das Aargauer Kunsthaus ist rappelvoll. Gerade ist eine Reisegruppe aus der Romandie angekommen, die nun den gesamten Eingangsbereich verstopft. Der Grund: Blumen für die Kunst. Seit gestern ist Aarau für eine Woche das Mekka der Blumenliebhaberinnen und Blumenliebhaber der ganzen Schweiz.

«Wir haben extra den weiten Weg aus Genf auf uns genommen, um diese atemberaubenden Floristikkunstwerke zu bewundern», sagt die 75-jährige Marina Patry. «Für uns ist das ein Highlight des Jahres», fügt ihre Kollegin Margitat Monnin, die selber schon so manchen Floristikwettbewerb gewonnen hat, hinzu. «Margitat ist richtig gut, vielleicht darf sie eines Tages auch mal in Aarau ein Kunstwerk erstellen», sagt Patry lachend.

 

 

Nur 14 Floristinnen und Floristen wurde in diesem Jahr die Ehre zuteil, ihre blumigen Kompositionen einem ausgewählten Kunststück aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses gegenüberzustellen. Die Organisation Flowers to Arts hat auch in diesem Jahr wieder einen Oltner ausgewählt: Philipp von Arx. Der Meisterflorist und Geschäftsführer von «von Arx Blumen & Garten» ist in diesem Jahr nach 2014 und 2016 schon zum dritten Mal einer der glücklichen Floristik-Künstler.

 

Gemeinsam mit seiner Arbeitskollegin Angela Kaspar hat er diesmal das 2012 entstandene Werk «Staz» des Genfer Künstlers John M. Armleder mit seiner Blumenkreation orchestriert. «Als ich das Bild zum ersten Mal sah, habe ich mich schon gefragt, ob das überhaupt Kunst ist. Aber wir hatten Lust auf etwas Fettes. Das Bild hat einiges, was auf den ersten Blick nicht direkt ersichtlich ist, wie die zahlreichen kleinen Stecklibellen. Ich mag diese Farben. Das Bild erinnert mich an einen Urknall», begründet von Arx die Wahl.

 

Den Weg blockiert

Der dick aufgetragenen Leinwand haben von Arx und Kaspar eine noch pompösere Blumen-Kreation zur Seite gestellt. Der meterlange weisse Block mit dem silbrig glitzernden Blumenkasten versperrt den Eingang ins Obergeschoss des Museums und geleitet den Weg direkt zu Armleders «Staz». Die Besucher werden quasi zum Verweilen gezwungen.

Wer näher ran geht, riecht den Duft der wenigen frischen Blumen. Duftende Kunst, das hat etwas Einmaliges. Fast in jedem der 14 Ausstellungsräume riecht es anders. Mal eher penetrant, mal äusserst dezent wie bei Kaspar und von Arx.

Es fällt auf, dass die beiden Oltner viele alte, getrocknete Pflanzen verwendet haben. «Als Florist kommt es häufig vor, dass man seine schönen, frischen Kreationen am Abend – nach einer Veranstaltung beispielsweise – schon wieder wegschmeissen muss. Da kommt man dann schon ein bisschen ins Grübeln, denn eigentlich könnte man die Pflanzen ja auch noch anderweitig verwenden», sagt von Arx. Mit der Verwendung von totem Pflanzenmaterial, das teilweise mit Farbspray wieder zum Leben erweckt wurde, wollen die beiden Künstler die Nachhaltigkeit thematisieren.

Ebenfalls aus Olten kommt Senay Bozat. Die 22-Jährige ist gestern eine der wenigen jüngeren Besucherinnen im Kunsthaus. «Für mich als Floristin ist diese Ausstellung ein Muss», sagt Bozat, die es interessant findet, wie sich die Floristinnen und Floristen durch die Kunst inspirieren lassen. Ihre Begleitung, Fabrice Sauthier (26) aus Balsthal, fügt hinzu: «Das Kunstwerk lebt. Das ist doch definitiv spannender als die reinen, unveränderlichen Bilder.»

Auch Angela Wettstein, Projektleiterin und Mitgründerin von Flowers to Arts, weist auf ebendiese Vergänglichkeit hin: «Während der einwöchigen Ausstellung welken die Pflanzen natürlich. Einige Künstler ersetzen die welken Blumen vor dem Wochenende, andere wollen explizit keine Veränderung vornehmen.»

Über 10 000 Besucher erwartet

Wettstein zeigt sich sehr glücklich darüber, dass die «in Europa einzigartige Veranstaltung» immer grösseren Anklang findet. Schon im letzten Jahr kamen über 10 000 Besucher ins Aargauer Kunsthaus. Eine Marke, die auch in diesem Jahr wohl wieder erreicht wird.

Viele kommen gar zweimal, wie Margrith Altweg aus Brugg, die mit ihrer Schwester aus Bern da ist: «Es ist einfach spannend, wie sich die Floristen von den Künstlern inspirieren lassen», sagt Altweg, die sich auch noch gut an einige Kompositionen aus dem letzten Jahr erinnern kann. Ihre Schwester Gertrud meint: «Ich freue mich an dieser unglaublichen Vielfalt, die Bilder und die Blumen harmonisieren so schön zusammen.»

Noch bis Sonntag sollen sich tausende weitere Besucher an dem Zusammenspiel von Kunst und Floristik freuen. Der Genfer Reisebus wird sicherlich nicht der letzte sein, der in dieser Woche in die Blumenhauptstadt Aarau einfährt